Filmverleih und -angebot

Progress Film-Verleih

Einziger 35mm-Film-Verleih der DDR war Progress, der als Haushaltseinrichtung des MfK geführt wurde und direkt der HV Film unterstand. "Progress war zuständig für den Filmankauf für Filmvorführungen in der DDR (auch die DEFA-Filme wurden von Progress formal gekauft), die Synchronisation und den Einsatz der erworbenen Filme" (Becker/Petzold, S. 101), die Kopienbereitstellung sowie die Herausgabe vielfältiger Werbe- und Informationsmaterialien und das Führen der Besucherstatistik. "Bei DEFA-Filmen wie bei Filmen der Mehrheit der sozialistischen Kinematographien wurden die Lizenzen ohne zeitliche Begrenzung erworben [...]. Es lag hier ausschließlich im Ermessen der HV Film und Progress, den Film im Verleih zu halten, den Filmstock durch neue Kopien aufzubessern. Damit ließ sich auch ganz exemplarisch Kulturpolitik machen", indem man beispielsweise Filme Wajdas oder Tarkowskis zeitweise aus dem Verleihprogramm nahm. Für Jugoslawien, die CSSR und fast alle Länder des kapitalistischen Auslandes wurden die Lizenzen nur für fünf Jahre erworben. Konnte oder wollte man sie nach dieser Zeit nicht verlängern, wurden die Kopien des Filmes vernichtet und waren so für den Großteil der DDR-Bürger verloren. Das Ausgangsmaterial wanderte zusammen mit einer synchronisierten Kopie ins Staatliche Filmarchiv (Becker/Petzold, S. 103).

Keine Filmmiete

Progress stellte die Filmkopien ohne Nutzungsgebühr zur Verfügung, d.h. die Kinobetreiber (die BFDen) mussten nicht, wie in der Bundesrepublik üblich, rund 50 Prozent ihrer Einnahmen bzw. eine Mindestgarantie an den Verleih zahlen.

DEFA-Spielfilmangebot 1982; Original: Tröger Verleihkatalog des Staatlichen Filmarchivs; Original: Tröger
li: Broschüre mit DEFA-Spielfilmangebot 1982
re: Verleihkatalog des Staatlichen Filmarchivs; Originale: Tröger

Das Staatliche Filmarchiv als Quelle für Weltfilmkunst

Das 1955 gegründete und ebenfalls der HV Film unterstehende Staatliche Filmarchiv der DDR (SFA), ursprünglich "als Sammelstätte für filmgeschichtliche Dokumente und wissenschaftliches Zentrum zu deren Erforschung geschaffen, erfüllte [...] seit seiner Gründung auch den kulturpolitisch äußerst bemerkenswerten Zweck eines quasi nichtkommerziellen Verleihs vornehmlich für Filmhistorie" (Becker/Petzold, S. 29). Hier konnten Archivfilme und einige Filmkunstwerke anderer Länder zur Nutzung in geschlossenen Veranstaltungen in Klubs, Kulturhäusern und sonstigen Einrichtungen geliehen werden.

Halblegale Wege der Filmbeschaffung

Filmklubs, selten auch die BFDen, nutzten des Öfteren die Möglichkeit, nicht in der DDR erhältliche Filmwerke über die Häuser der Kulturen (die Kulturzentren Polens, der CSSR, Bulgariens und Frankreichs sowie die Filmstelle der sowjetischen Botschaft bzw. Sovexportfilm) zu "organisieren" oder selbst aus dem Ausland mitzubringen. Meist waren dies heikle Aktionen, da die Zulassungsordnung für Filme vorschrieb, dass nicht zugelassene Filme nicht gezeigt werden dürften bzw. ab 1983 für Veranstaltungen der Kulturzentren eine Zulassung bei der HV Film beantragt werden müsse. In praxi umgingen die Organisatoren durch geschickte Ausnutzung gesetzlicher Bestimmungen diese Hürde, was in aller Regel stillschweigend geduldet wurde (Becker/Petzold, S. 104).

Hauptangebot: sozialistische Kinematographien

Pro Jahr brachte Progress rund 120 bis 150 Streifen neu ins Kino, von denen jeweils rund zwei Drittel bis drei Viertel aus sozialistischen Ländern stammten (davon etwa zehn Prozent aus der DDR und 20–30 Prozent aus der Sowjetunion), das übrige Drittel bzw. Viertel aus dem "NSW".

"Filmische Höhepunkte" des Kinojahres

Feste, überregional gültige Termine im DDR-Kinojahr (1980er Jahre) waren die Woche der Waffenbrüderschaft im Februar/März, die Tage des sozialistischen und das Festival des sowjetischen Films, der Kinosommer bzw. die Sommerfilmtage sowie die Festivals für Dokumentar- und Kurzfilm in Leipzig und Neubrandenburg, das Nationale Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt und das Kinderfilmfestival "Goldener Spatz" in Gera.

Spielplanerstellung und Kopienverteilung in den Bezirken

Bei jedem Kino-Bezirksbetrieb existierten eigene Filmlager. Startete ein neuer Film, erhielt jeder Bezirk Kopien (meist sehr wenige - im einstelligen Bereich, mit heutigen Zahlen nicht zu vergleichen; oft mussten sich mehrere Bezirke eine Kopie teilen="Teilkopie"), die er selbständig disponieren konnte. Bei der Filmeinsatzleitung/Disposition der jeweiligen BFD liefen die Filmwünsche, die die einzelnen Theaterleiter über ihre Kreisfilmstellenleiter vorbrachten, zusammen. Bei der Koordination musste die Rangfolge der Städte und Kinos beachtet werden: Zunächst erhielten die Ur- und Erstaufführungstheater der Bezirksstädte den Neustart, später wurde er durch die übrigen Kinos "gereicht". Dadurch ergaben sich sehr lange Durchlaufzeiten in den Bezirken (oft mehr als ein halbes Jahr!), und nicht selten kam es vor, dass Einwohner von kleinen Orten oder Landgemeinden einen neuen Streifen eher im Fernsehen als im Kino sehen konnten. Ältere Filme verblieben in den Filmlagern der BFDen und waren so stets einsatzbereit. Hier griff die "Vorzugsregelung" selbstverständlich nicht.

Nichtkommerzieller und 16 mm-Verleih

Die verständliche Forderung nach einem nichtkommerziellen Verleih, eventuell auf 16mm-Basis, tauchte vor allem in den 70er und 80er Jahren auf, fand prominente Fürsprecher wie den Dokumentaristen Karl Gass, wurde aber nie umgesetzt. Allerdings gab es Anfang der 1950er Jahre einen großangelegten Versuch, die Landfilmbetreuung mit 16mm-Technik zu bestreiten. Das Experiment scheiterte jedoch am hohen materiell-technischen Aufwand, dem empfindlichen, störungsanfälligen Filmmaterial und an der dadurch bedingten schlechten Wiedergabequalität. Folglich wurde ab 1955 der Schmalfilm-Einsatz wieder reduziert; 1963 war er ganz aus dem Landfilm verschwunden. Nur Volksbildungseinrichtungen, die Deutsche Seereederei und die NVA arbeiteten noch mit 16mm-Projektoren.

Tanja Tröger 2004–2013